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Mit dem Fahrrad durch den Yukon

Von der Goldgräber-Stadt Dawson City ging es nun also weiter in Richtung Whitehorse. Der so genannte „Klondike Highway“ hält sich dabei mit landschaftlichen Highlights sehr zurück. Zumeist sieht man sowohl auf der rechten, als auch auf der linken Seite der Straße lediglich eines: Wald!
Ab und zu ergibt sich dann doch mal ein Blick auf den Yukon River oder einen der anderen großen Flüsse hier im „Territory“.

Manchmal war die Strecke wirklich schön…
…aber meist sah es so aus.
Auch das Wetter war eher durchwachsen.

Begegnungen am Wegesrand

In diesem Sommer schienen relativ viele Gleichgesinnte unterwegs gewesen zu sein. Mir kamen innerhalb von ein paar Tagen gleich 6 Leute entgegen, die mit dem Fahrrad durch den Yukon fuhren.
Die Kanadier verbinden solche Reisen sehr oft damit, Gelder für wohltätige Zwecke zu beschaffen. Einer war sogar mit seinem Hund unterwegs und sammelte gleichzeitig für die örtliche Tierrettung. Das finde ich natürlich ziemlich cool. Mir persönlich fehlt allerdings die Energie, so was nebenher auch noch zu organisieren.

Überlasst es doch einfach den Profis

Seit dem Beginn dieser Tour habe ich öfters Schmerzen in Schultern und Nacken. Nach einiger Recherche beschloss ich, den Vorbau an meinem Rad etwas zu verkürzen und gleichzeitig den Lenker etwas nach oben zu setzen.
Das war jedoch einfacher gesagt, als getan. Die dafür benötigten Teile gab es nämlich nirgendwo. Der Besitzer von Cadence Cycle in Whitehorse, einem sehr netten Fahrradladen, sagte mir, dass Shimano momentan 600 Tage mit der Produktion von Teilen in Verzug ist.

Das liegt zum einen an Corona und den damit verbundenen Schließungen der Fabriken, zum anderen dann auch wieder an Corona und der damit verbundenen Nachfrageexplosion auf dem Fahrrad-Markt. Jetzt muss natürlich auch gleich jeder Idiot einen Drahtesel kaufen, weil die Hotelanlage an der Adria geschlossen oder das Eimersaufen auf Malle mal vorübergehend nicht möglich ist. Eigentlich ist das ja etwas Positives, nervt mich persönlich aber momentan gewaltig.

Ich bekam dann doch noch irgendwas passendes. Allerdings konnte ich bis jetzt, wo ich schon fast durch Kanada durch bin, noch keine neue Kette oder den von mir gewünschten Reifen finden. Mancherorts sind sogar Schläuche nicht mehr in allen Größen vorhanden.

Der Yukon River ist in diesem Jahr mehrfach über die Ufer getreten auf Grund von viel Schneefall im Winter.

In Whitehorse mussten wir kein Sightseeing mehr machen. Wir kannten die Stadt ja bereits sehr gut. Hier fuhren wir immer von Haines Junction her, wenn wir einkaufen mussten. Weiter Richtung Süden wurde die Strecke dann wieder interessanter. Die Gegend um Teslin Lake und die Strecke von dort nach Watson Lake war sehr abwechslungsreich. Hier überquerte ich auch die kontinentale Wasserscheide. Das bedeutet, dass die Flüsse, welche oft parallel zu den Straßen verlaufen, jetzt in den Pazifik (südwestlich) und nicht mehr in den Arktischen Ozean (nördlich)  flossen. Es ging also tendenziell erst mal bergab.

Anstelle von Sightseeing erfreuten wir uns an den angenehmen Seiten der Zivilisation.
Warnweste musste sein. Der Verkehr nahm zu und die Sicht war nicht immer die Beste.


Verloren im Schilderwald

Watson Lake gilt als „Tor zum Yukon” und war dementsprechend auch unsere letzte Station hier. Die bekannteste Sehenswürdigkeit ist der so genannte „Sign Post Forest“, auf Deutsch „Schilderwald“. Und das ist hier wirklich keine Untertreibung. Angefangen hat das Ganze im zweiten Weltkrieg. Die hier stationierten Soldaten bauten zu dieser Zeit den Alaska Highway. Um das Heimweh ein wenig zu bekämpfen, hingen sie Schilder mit den Namen ihrer Heimatorte auf. Heute hängen hier schon fast 100.000 solcher Ortsschilder, zumeist von Touristen angebracht, an Bäumen oder eigens dafür errichteten Konstruktionen. Mal sind diese selbst gemacht, mal auch einfach ihrem ursprünglichen Standort entwendet.
Wir verbrachten hier bestimmt zwei Stunden mit Staunen, Herumlaufen und der Suche nach Orten, die wir von zu Hause kannten. Und so fanden wir unter anderem auch Ortsschilder aus Spremberg oder Hoyerswerda. Das „Bad Muskau”-Schild, welches hier vor ein paar Jahren von zwei meiner besten Freunde aufgehangen wurde,  war leider nicht mehr zu finden. Allerdings hingen wir natürlich ein Neues auf.

Ein halbes Jahr im Yukon – das Fazit

Eine Radreise durch den Yukon ist sicherlich nur bedingt zu empfehlen. Zumindest würde ich nicht extra hierher fahren um von Dawson nach Whitehorse zu radeln. Dann sind eher der Dempster Highway oder die Strecke von Haines nach Haines Junction bzw. von dort bis nach Beaver Creek und in normalen Jahren eben weiter nach Fairbanks zu empfehlen.

Auch schön: die Gegend rund um Watson Lake.

So wirklich lernt man den Yukon aber erst beim Wandern oder auf dem Wasser kennen. So richtig lernt man ihn erst kennen, wenn man hier eine Weile lebt! Caro und mir hat es hier jedenfalls außerordentlich gut gefallen. Für uns ist es die schönste Region Kanadas, gemessen an dem Teil, den wir bereist haben. So viel Wildnis und eine so atemberaubende Natur, die sich uns hier darbot, sucht wirklich ihresgleichen.

Fox Lake.

Sicher ist das Leben so relativ weit weg von der Zivilisation nicht immer einfach, aber die täglichen Herausforderungen machen es auch interessant. Für mich jedenfalls momentan interessanter, als immer alles jederzeit verfügbar zu wissen. Man erlebt zum Beispiel eine Wanderung irgendwo im Nationalpark ganz anders, wenn man weiß, dass man 20 Kilometer von der Straße und dann nochmal 200 Kilometer vom nächsten Krankenhaus entfernt ist. Hier schützt dich nur dein eigenes Wissen bzw. das deiner Begleiter. Aber auch die alltäglichen Herausforderungen wie das Einkaufen erfordern mehr Planung.
Die Umstände waren ja auch schon in Anahim Lake sehr ähnlich. Allerdings waren wir im Yukon auch im Sommer. Deswegen ist das wahrscheinlich schwer zu vergleichen.

Kunstvoll bemaltes Haus im Stil der “First Nations” um Teslin Lake.

Die Jahreszeiten waren auch ein Grund, warum wir hier dann doch nicht dauerhaft hergezogen sind. So schön ich den Sommer auch finde und so viel Energie man auch mit fast durchgehendem Tageslicht verspürt, so sehr würde mich hier auch der Winter und die ewige Dunkelheit ankotzen.

Zuletzt noch ein paar Worte zu den Menschen hier. Der Yukon erlebt grade eine durch Klimawandel und Corona nochmals zusätzlich befeuerte Bevölkerungsexplosion. Zumindest prozentual gesehen ist das so. In absoluten Zahlen sprechen wir hier ungefähr von der Einwohnerzahl Bautzens, verteilt auf eine Fläche, die größer ist als Deutschland. Menschen, die hier herziehen, suchen oft bewusst die Einsamkeit. Versteht mich nicht falsch, fast jeder hier ist super nett und hilfsbereit. Aber da wären zum Beispiel die BBQ-Konzert-Nächte, welche die Bäckerei, für die wir arbeiteten, regelmäßig veranstaltete. Diese gingen von 19 bis ca. 21 Uhr. Von Konzerten in Deutschland kenne ich es so, dass man dann mindestens nochmal die Länge der Show entweder direkt in der Location oder in der Kneipe nebenan dranhängt und dabei gerne auch 5, 6, 7 Kamillentee konsumiert. Hier sind bei der Hälfte des Konzertes, auch wenn die Band gut ist, schon 25% der Leute gegangen und 5 nach 9 wird schon die Bühne gefegt. Das fand ich schon etwas merkwürdig dafür, dass es quasi die einzigen Kulturveranstaltungen weit und breit waren.

Auf dem Wasser war es hier unglaublich schön…
…und in solche Ecken kommt man nur zu Fuß.

Unterm Strich kann ich einen Besuch hier aber nur empfehlen! Dieses atemberaubende Stück Erde werdet ihr euer Leben lang nicht vergessen. Je höher die eigene Affinität für Outdoor-Aktivitäten ist, desto höher wahrscheinlich auch der Genuss-Faktor. Wir kommen jedenfalls wieder in den Yukon!

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