“Encanto” hier, “Encanto” da. Rose lag mir mit diesem dämlichen Film schon eine ganze Weile in den Ohren. Die kolumbianischen Städte “Filandia” und “Salento” waren offensichtlich Inspirationsquellen für diesen Streifen. Gut, schon nett hier, aber besonders nach dem durch Disney ausgelösten Boom auch voll von Touristen, von denen wir ab Medellin keine mehr gesehen haben.
Neben der Stadt ist hier das “Valle de Cocora” eine Hauptattraktion. Hier stehen sogenannte “Wax Palms”, die höchsten Palmen der Welt. So wird es zumindest beworben. Aber die wirklich hohen Exemplare und die wesentlich gesündere Population dieser gigantischen Bäume befindet sich eigentlich ein Tal weiter. Nur führt da eben keine gut ausgebaute Teerstraße, sondern eine von Erdrutschen und Baumbrüchen stark mitgenommene Schotterpiste hin, die nur mit Allradantrieb und ordentlich Bodenfreiheit in Angriff genommen werden sollte. Oder eben auf Fahrrädern.
“Alto La Linea”, wie sich die Passstraße nennt, sollte eine unserer bis dahin größten Herausforderungen werden. Der Weg nach oben ging noch. Außer ein paar Stellen, wo die Schotterpiste etwas abgerutscht ist und dem starken Wind, der uns an der Sicherheit unseres Vorhabens zweifeln ließ, war es eigentlich ganz ok. Bei über 3000 Metern verbrachten wir die Nacht in einem Refugio, weil es wirklich sehr windig war und uns teilweise sogar von den Rädern blies.
Als wir dann nach Erreichen des Passes hinunter nach Toche fuhren, begannen wir zu sehen, warum wir das alles auf uns genommen haben. Die teilweise über 60 Meter hohen Palmen, die hier wachsen, sehen wirklich beeindruckend aus. Wir verbrachten hier eine Menge Zeit, schauten uns in Ruhe um und konnten wirklich bis zu den Palmen hinlaufen (mit Erlaubnis eines Rangers). Wesentlich entspannter als das, was wir aus dem touristischen Vale de Cocora bei Salento gehört hatten.
Zeit hatten wir reichlich, schließlich ging es nur bergab, dachten wir zumindest. Tja, weit gefehlt. Bergab war hier der schwierige Teil. Mitunter war es so steil und steinig, dass wir sogar schieben mussten. Dann kamen auch immer mal wieder Phasen mit Schlamm und zwischendurch ging es für ein paar Kilometer bergauf. Am späten Nachmittag kamen wir erschöpft in Toche an.
Pfandpiraten
In einem Laden wurden dann noch schnell ein paar Biere gekauft und ab ging es auf einen kleinen Campingplatz mit heißen Quellen, der kurz hinter der Stadt lag. Beim Erwerb der Kaltgetränke brabbelte der in der Kauleiste schon ordentlich dezimierte Ladenbesitzer dann irgendwas bezüglich der Biere, dass wir nicht ganz verstanden. Zu erschöpft, um weitere Nachforschungen anzustellen, erwiderte wir nur ein kurzes “Si, claro!”. Vielleicht wollte er uns einfach nur vor dem niedrigen Alkoholgehalt warnen.
Als wir den Campingplatz und die Stadt dann bereits wieder verlassen hatten, kamen wir dem Rätsel auf den Grund. Frauke und Nils, zwei befreundete Radler, die ich in Mexiko getroffen habe, schrieben mir, ob ich etwa meine Pfandflaschen in Toche nicht zurückgebracht hatte. “Ähh, woher wisst ihr das?”, wollte ich wissen. Wie sich herausstellte, kam “Ihre Vaddan” ganz aufgeregt auf sie zugerannt, ja hat sie förmlich von den Rädern geholt und wollte seine Flaschen zurück. Die beiden wussten natürlich von nichts. Der alte Herr dachte wohl, die Fahrradfahrer stecken alle unter einer Decke. Sie wussten lediglich, dass ich ungefähr zu dieser Zeit hier sein werde, weshalb sie mir auch gleich schrieben. Wir hatten uns um zwei Stunden verpasst.
Den hat der Reiter im Galopp verloren
Das nächste Highlight war die Tatacoa Wüste. Zu unserem Leidwesen ging es bis auf wenige hundert Meter über dem Meeresspiegel hinunter. Das bedeutete, dass es wieder mächtig heiß wurde. Die Wüste an sich war ganz nett. Wenn man aber andere Wüsten, z. B. in den USA oder in Afrika kennt, wirkt sie wie eine Miniatur-Ausgabe davon. Im sonst sehr grünen Kolumbien war sie allerdings eine echte Sensation und zog besonders zu der Zeit, wo wir da waren, eine Menge Touristen an.
Wegen der hohen Temperaturen brachen wir früh um 5 auf und suchten uns zur Mittagszeit einen Campingplatz mit Pool. Dort lernten wir ein Ruben und Lia, ein kolumbianisches Pärchen in den 50ern kennen, die hier auch gerade Urlaub machten.
Ruben hatte mit dem Besitzer des Campingplatzes einen Termin für einen geführten Ritt durch die Wüste ausgemacht. Am Nachmittag sollte es losgehen und für etwa 10€ ritten wir in einer Gruppe von 5 Touristen in den Sonnenuntergang. Geführt wurde die Gruppe dann vom Sohn des Campingplatzbesitzers, der sich mit seinen 6 Jahren schon ganz gut auskannte.
Die Einführung war relativ rudimentär. Uns wurde lediglich gezeigt wie “go”, “stop”, “izquierda”, and “derecha” funktioniert. Das Ganze dauerte keine halbe Minute. Den Rest machen die Pferde schon. Erst, als der fünfte Reiter im Bunde von Pferd fiel, gab es dann nochmal ein paar Ergänzungen, was das Bergabgehen anging.
Während der Sohnemann die Gruppe anführte, vergnügte sich der Vater damit, auf seinem Gaul quasi senkrecht Hänge hinunter zu galoppieren. Er wusste aber auch eine Menge cooler Sachen über die kleine Wüste zu erzählen. Ruben konnte seinen Hund natürlich nicht auf dem Campingplatz lassen. Anfänglich versuchte er, diesen mit auf dem Pferd zu transportieren. Allerdings klappte das nur so halb, schließlich mussten ja auch noch die Zügel und die mitgebrachte Flasche Margarita-Mix irgendwie gehalten werden. Nachdem sein Pferd dann ein paar Mal durchging, lief der Köter nebenher. Das beruhigte die anderen Pferde aber nicht unbedingt und trug zu einer nervösen Grundstimmung bei.
Wir hatten allerdings nicht allzu viel Angst. Die Gäule wurden eindeutig nicht für große Mitteleuropäer gezüchtet. Die Beine bogen sich beim Aufsitzen dezent durch und ich musste meine Füße ein paar Mal anheben, weil ich ständig gegen auf dem Boden liegende Steine stieß. Rose, die mit Pferden aufgewachsen ist, deklarierte diesen Ritt als einen der abenteuerlichsten in ihrem Leben. Gleichzeitig war es aber auch eines der coolsten Erlebnisse unseres Trips.
Das Hippie Nest
Von Neiva aus übersprangen wir ein als nicht ganz so sicher und obendrein unspektakulär geltendes Stück Weg. Als ich mir dann an der Busklappe einen tiefen Riss an der Hand zuzog, mussten wir in Mocoa einige Tage pausieren. Eigentlich war es ganz schön hier. Es war zwar Regenwald, aber durch die etwas höhere Lage noch nicht ganz so warm. Außerdem gab es unzählige Wasserfälle und ein paar nette Hostels. Nachdem wir ein paar Tage ganz für uns alleine hatten, wollten wir mal wieder etwas Kontakt zu anderen Reisenden haben. Auch, wenn unser Spanisch mittlerweile ganz passabel ist und für die meisten notwendigen Dinge ausreicht, ist es doch noch etwas anderes und weniger anstrengend, sich in einer größeren Gruppe auf Englisch zu unterhalten.
Die Backpacker, die wir hier vorfanden, waren allerdings nicht unbedingt auf unserer Wellenlänge. Wir waren auf ein regelrechtes Hippie-Nest gestoßen. Umgeben von 10 weißen Mitteleuropäern, von denen mehr als die Hälfte Dreadlocks trug, fühlten wir uns ziemlich beobachtet und auch ein wenig verurteilt, als wir uns am Abend ein Bier öffneten. Alle anderen waren hier halb acht im Bett und ernährten sich lediglich von Papayas. Schließlich mussten sie sich ja auf ihre Ayahuasca Zeremonie vorbereiten. Der Saft dieser Liane wird schon seit vielen Jahrhunderten als halluzinogene Medizin indigener Völker verwendet und ich will dessen medizinischen Nutzen auch gar nicht in Frage stellen. Wenn man diese Zeremonie allerdings über ein Hostel bucht und sie in einer Gruppe europäischer Touristen vollzieht, macht mir das schon den Eindruck einer klassischen Touristenfalle. Aber, wenn die Locals daran verdienen, sei es ihnen gegönnt. Wir sahen jedenfalls nicht die Notwendigkeit, daran teilzunehmen.
Ansonsten gab es in dieser Gegend ein paar ganz coole Wasserfälle, zu denen teilweise abenteuerliche und matschige Wege führen. Es war auf jeden Fall ein guter Ort, um Pause zu machen, bevor es die letzten Tage nach “La Hormiga” an der Grenze zu Ecuador ging. Jetzt waren wir wirklich im Amazonas. Es wurde heiß und schwül. Man merkte, dass diese Gegend deutlich ärmer war, als die zentralen Regionen Kolumbiens. Die Hauptstraße ist, vermutlich auch wegen all der Öl-Raffinerien, sehr gut überwacht. Allerdings wurde uns auch geraten, auf dieser zu bleiben, weil im dichten Dschungel noch Splittergruppen der FARC verschanzt sind.
Alles in allem verliefen diese letzten Kilometer aber recht unspektakulär und wir freuten uns auf Ecuador.
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