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Besoffen mit der Angel nach Elchkühen werfen – vom Schneemobil

Lange her ist es, als ihr meine erhellenden Gedanken das letzte Mal lesen durftet. Jede Woche einen neuen Beitrag zu schreiben, lohnte sich aber für mich nicht, da es in Anahim Lake zwar witzig war, aber am Ende eben oft auch nach dem Motto: “Same Shit Different Day” ablief. Ganz untätig war ich jedoch nicht. Mittlerweile führt der auf der Startseite befindliche Button “Ausrüstung” nicht mehr komplett ins Leere. Da viele von euch jetzt selbst das Radfahren lernen und auf Reisen gehen wollen, hab ich mal meine Ausrüstung in diesem Artikel etwas genauer beleuchtet.

Cabin in the Woods

Da uns das White House noch nicht abgelegen genug war, buchten wir uns Anfang des Jahres für eine Nacht in einer kleinen Hütte inmitten des “Tweedsmuir Provincial Parks” ein. Diese gehört dem örtlichen Skiclub und wird für einen wirklich kleinen Obolus vermietet. Man hat dort weder Strom noch fließend Wasser. Stattdessen steht Feuerholz und Propangas für Heizung, Herd und Licht zur Verfügung. Wasser gewinnt man aus geschmolzenem Schnee oder Eis.

Der Weg dorthin war recht beschwerlich. Bei unserer vorangegangenen Schneeschuhwanderung erschien er uns noch einfach. Allerdings hatten wir jetzt zwei Schlitten dabei, die als Versorgungsfahrzeuge fungierten. Da sie relativ groß und dazu noch selbst gebaut waren, benötigten wir schon einiges an Kraft, um sie in Bewegung zu setzen. Vermutlich waren wir aber die Einzigen, die jemals diese Art der Anreise gewählt haben. Für den gemeinen Kanadier gilt nämlich, besonders im Winter, das Motto: “Alles was länger als das Auto ist, wird gefahren”.

An der Hütte angekommen, verbrachten wir dann einen schönen Tag mit Eisangeln, Schlittenfahren und dem Konsum diverser Genussmittel. In der Nähe kann man auch gut Ski fahren. Allerdings fährt der Lift nur sonntags, was die Anzahl der Abfahrten an den restlichen Tagen stark vom Zustand der persönlichen Fitness abhängig macht.

Die Neuen (Teil 2)

Bereits im letzten Bericht habe ich euch unsere Arbeitskollegen vorgestellt. Jedoch gab es nochmals Zuwachs in unserer kleinen Anarcho-Enklave.

Christoph

Mit 37 ist er ganz klar der Gruppen-Opa und wohl einer der ältesten Inhaber eines Working-Holiday-Visa in Kanada. Bei dessen Genehmigung darf man nämlich maximal 35 sein, woraufhin man noch einmal ein Jahr Zeit hat, einzureisen.

Christoph ist bereits vor seinem Kanada-Aufenthalt mit mir in Verbindung getreten und ich konnte ihm ein paar Tipps bezüglich der Einreise in Zeiten von “CoRvid”, wie es Axel nach wie vor nennt, geben. Dieser Kontakt hat sich dadurch ergeben, dass er ein Freund meines früheren Sozialarbeiters ist und ebenfalls aus der Umgebung von Cottbus kommt. Allerdings ignorierte er einige meiner Hinweise, schaffte es aber trotz des Mangels einer Quarantäne-Unterkunft ins Land. In Vancouver arbeitete er dann mit Lisa und Paul, unseren beiden Mechanikern, zusammen. Wie klein doch die Welt ist.

Schlussendlich trafen wir ihn mal in einem Pub in Williams Lake und zwei Wochen später heuerte er dann bei uns an. Als studierter Architekt gehört er eigentlich zu Axels erklärten Feinden. Diese sind nämlich “noch schlimmer als Ingenieure”. Dafür hat er sich dann doch sehr schnell eingelebt.

Vojta

Vojta, von Axel wahlweise als “Voromir”, “Voitahl” oder “Watzlav, die faule Sau” tituliert, war der Reisegefährte von Christoph. Er arbeitete ebenfalls mit Lisa und Paul in Vancouver.

v.l. ich, “Watzlav” und Paul beim Pokern

Als einziger, der nicht (gut) Deutsch sprechen konnte, ist es für ihn manchmal etwas schwierig, aber wir gaben uns Mühe, auf ihn Rücksicht zu nehmen und vermehrt Englisch zu sprechen.

Vojta war als gelernter Elektriker ein gefragter Typ auf der Baustelle. Axel kennt sich zwar selbst sehr gut in der Materie aus, hat es aber seit Monaten oder wahrscheinlich eher Jahren nicht geschafft, einen Großteil der Solarzellen anzuschließen. Dem “faulen Watzlav” gelang dieses Kunststück hingegen innerhalb eines Tages. Da kann es ja auch nicht so schlimm gewesen sein, dass die “useless millennials” mit ihren Toastern und Wasserkochern seinen wertvollen Strom aus dem Dieselgenerator regelrecht verschleudert haben.

Toni & Emily

Mit Toni und Emily sind zwei waschechte Erzgebirgler zu uns gestoßen. Da Lion und Annika etwas weiter außerhalb wohnen wollten, sind die beiden zu uns ins “White House” gezogen.

Untypisch für echte Sachsen, trinken sie keinen Alkohol und konsumieren auch sonst nur eine Droge – Maggi. Besonders Toni verehrt die braune Würzsauce so sehr, dass er sie sich auf so ziemlich alles außer Erdbeertorte kippt, wobei ich mir da nicht mal so sicher wäre. Deshalb ist auch immer mindestens eine Literflasche davon im Regal. Meist wird diese großzügig über einer Schüssel Spaghetti Bolognese entleert, die mindestens dreimal wöchentlich von den beiden verzehrt wird.

Mit Anfang 20 sind sie mit Abstand die Jüngsten in der Gemeinschaft.

Redneck Action

Die kalten, kurzen Tage verleiteten uns auch zu allerhand Dummheiten.

Besonders die Pokerabende am “Thirsty Thursday” konnten schon mal sehr intensiv und ausschweifend werden. Intensiv geführte Gespräche waren an der Tagesordnung und gelegentlich wurde die Kommunikation auch auf non-verbaler Ebene geführt. Aber so ist das nun mal im Wilden Westen.

Unsere Freitags-Feuer machten wir auch weiterhin. Toni besorgte dafür ein altes Teerfass, in dem die Holzabschnitte der gesamten Woche gemeinsam mit Teilen unseres Abfalls verbrannt wurden. Die Alternative dazu wäre ein großes Loch im Boden gewesen, wo man seinen Müll auch hineinwerfen kann. Wir waren uns jetzt nicht ganz sicher, was die bessere Lösung ist. Meist gingen die Feuer so lange, bis einer ‘ne leere Dose Bauschaum oder ein paar scharfe Patronen hineinwarf und alle gezwungenermaßen Reißaus nehmen mussten, um die Explosion abzuwarten. Wenn man nämlich nicht direkt beim Feuer stand, wurde es schnell kalt.

Unsere Feuer konnten schon ganz schön ausschweifend werden.

Bis zu minus 45 Grad konnten die Temperaturen schon mal fallen, wenn die Sonne weg war. Das hatte zur Folge, dass wir ein paar coole Dinge wie das bekannte Experiment, bei dem man kochendes Wasser in die Luft schmeißt, dass dann als Eis wieder unten ankommt, durchführen konnte. Wenn ich es mal hinbekomme einen YouTube-Kanal einzurichten, versorge ich euch hier auch mit dem entsprechenden bewegten Bildern.

Allerdings hatten die tiefen Temperaturen auch wahrhaft beschissene Folgen. Vermutlich war es nämlich deren Schuld, dass uns eines Abends einfach mal die Wurst im Schweizer Designer-Klo einfror. Dieses mussten wir dann, nachdem wir mit Spirale, Pömpel, Backpulver und Essig gescheitert waren, nach draußen tragen, um den gefrorenen Fäkalklumpen mittels Hochdruck-Wasserstrahl aus dem Porzellan zu befördern. Da hätte selbst Meister Röhrich höchst persönlich große Augen gemacht. Entgegen der Vermutung unseres werten Chefs waren es keine Tampons, die von irgendwelchen “Fo****” da reingeworfen wurden, sondern wirklich nur Scheiße.

Na, wer von euch hat den letzten Absatz übersprungen?

Ein halbtägiger Schusswaffen-Intensivkurs war ebenfalls im “Redneck-All-Inclusive-Package” enthalten. Dank Axels üppigen Arsenals hätte dabei jeder von uns gleichzeitig schießen können. Nach eins, zwei Bieren gelang es mir dann auch, ein paar Ziele zu erwischen. Das Highlight war sicherlich einhändig mit der “Zombie Gun”, einer abgesägten Schrotflinte, zu schießen. Auch Axels Schuss mit dem Scharfschützengewehr auf ein kleines Döschen Sprengstoff, dass sich in 300m Entfernung befand, war nicht schlecht.

Die letzten werden die ersten sein!

Wer jetzt denkt, dass er, im Falle einer durch den Corona-Impfstoff hervorgerufenen Zombie-Apokalypse, im Red Cariboo Resort Schutz suchen kann, den muss ich leider enttäuschen. Wir wurden nämlich, als eines der ersten Dörfer in Kanada, geimpft. Möglich machte dies ein Programm, dass abgelegene Kommunen bevorzugt mit Impfstoff versorgt, da diese am weitesten vom nächsten Krankenhaus entfernt sind.

Auch wir wurden netterweise gefragt, ob wir uns impfen lassen. Die meisten von uns nahmen dieses Angebot auch an (2-3 ungeimpfte Personen wollten wir aber noch als Nahrungsquelle im Falle einer Verwandlung bei uns behalten). Dass wir gar nicht in BC versichert waren, war dann einfach mal egal. Im Gegensatz zu den chaotischen Berichten, die man so aus Deutschland hört, lief es hier ganz einfach: reinkommen, Spritze in den Arm, unter Beobachtung einen Saft trinken und nach einer Viertelstunde mit einem leckeren Cupcake in der Kralle wieder rausspazieren. Da fühlt man sich fast wie beim Blutspenden.

Und sonst so?

Ansonsten waren wir noch ein paar Mal Eisangeln, mit mäßigem Erfolg. Aber darum geht es dabei ja sowieso nicht unbedingt. Die Dicke des Eises war dabei meist so gut, dass wir sogar ein Feuer machen konnten.

Da leider noch immer keine Pferde-Trainerin da ist, konnten wir nicht wirklich reiten gehen. Einmal nahm uns allerdings Maya, die hier auch mal als Pferde-Trainerin gearbeitet hat und seitdem in Anahim Lake lebt, mit auf einen Winter-Ausritt.

Abschied nehmen

Auch wenn ich die Zeit auf Axels Anarcho-Baustelle im Nachhinein als überwiegend positiv betrachte, waren die letzten Wochen doch sehr zäh gewesen. Zum einen hatte man den Schnee einfach satt. Natürlich war es toll, einmal so viel davon auf einmal zu sehen. Aber ein halbes Jahr Winter wäre mir auf Dauer dann doch zu viel.

Auch vom Arbeiten an sich wollte ich nach sechs Monaten ohne Urlaub mal wieder eine Pause machen. Deshalb sehnten wir das Ende des Monats Februar sehr stark herbei.

Auch das Arbeiten mit Axel ging uns allen zunehmend auf den Sack. Am Anfang war es ja noch lustig und man dachte, da lebt einfach ein komischer Kautz irgendwo tief im Wald. Auch über das ständige Beschimpfen seiner Mitarbeiter konnte ich meist nur lachen, aber das rassistische Gelaber über “seine Indianer” war dann am Ende doch etwas zu viel.

Unterm Strich kann man sagen, dass die Zeit vor allem unserem handwerklichen Erfahrungsschatz zu Gute kam. Natürlich waren auch stupide Arbeiten, wie das ständige Spachteln und Schleifen von Trockenbauwänden, angesagt. Aber je mehr Leute auf der Baustelle waren, desto mehr verlor Axel in seiner Rolle als Bauherr auch den Überblick. Deshalb konnte man sich die Rosinen herauspicken. Den letzten Monat verbrachte ich also zu einem Großteil mit dem Bau von Fensterrahmen. Das hat schon mehr Spaß gemacht. Man munkelt, dass es die ein oder andere auch geschafft haben soll, ein paar Bände Harry Potter während der Arbeitszeit zu lesen.

Ein paar gute Freundschaften sind während der Zeit auch entstanden. Ich glaube, wenn man in so einer Gegend lebt, wo man im Winter ohne teure Spielzeuge wie Schneemobile nicht sonderlich viel unternehmen kann, ist es besonders wichtig, ein paar coole Leute um sich zu haben. Das war wirklich WG-Leben “at its best”. Zusammen kochen, pokern, Filme gucken und besoffen mit der Angel nach Elchkühen werfen – vom Schneemobil.

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