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Fahrradparadies Finnland – von Helsinki nach Kuopio

Es ist ruhig geworden um mich und meine Radreise ans Nordkap. Das liegt aber nicht etwa daran, dass mir die Lust ausgegangen ist. Allerdings benötigt das Schreiben mehr Zeit, als sich der ein oder andere von euch vielleicht vorstellen kann. Zudem fahre ich derzeit einfach sehr viel Fahrrad und Pausentage sind eine Seltenheit geworden. Mittlerweile bin ich am Nordkapp und seit Helsinki hatte ich keinen davon. Doch beginnen wir von vorn …

Die Überfahrt

Nach geschlagenen 9 Tagen in Tallinn bestieg ich nun die Fähre in Richtung Helsinki. Mit an Bord waren mehr Autos, Wohnwagen und LKWs, als ich mir beim Anblick des Schiffes vorstellen konnte. Aber auch ein paar Radreisende hatten sich auf den Frachter verirrt. Genauer gesagt, eine tschechische Familie mit 2 kleinen Mädchen (um die 10 Jahre alt), welche auf ihren eigenen Rädern mit ein wenig Gepäck ebenfalls Tagesetappen von 50 bis 60 Kilometern fuhren. Da staunte ich nicht schlecht, als die Mutter mir das, voller Stolz, erzählte. Muss wohl an der von Klobása und Gulasch geprägten Esskultur der “Honzas” liegen, dass sie in diesem Alter schon so in die Pedale hauen.

Außerdem war noch eine Flensburgerin auf der Fähre, die ebenfalls ein paar Wochen durchs Baltikum geradelt ist und jetzt über Helsinki wieder zurück in die Heimat muss.

Wir verquatschten große Teile der zweieinhalbstündigen Fahrt auf dem Sonnendeck. Plötzlich fiel mir eine Geschichte ein, die mein Opa zum Besten gegeben hat, als ich ihm erstmals davon erzählte, dass ich eben jene Route über die Ostsee nehmen will. Er meinte, dass sein Kumpel Herbert damals bei der Handelsmarine gearbeitet hat und in Finnland der Alkohol schon immer recht teuer war. Also standen die finnischen Männer beim Einlaufen der Schiffe bereits am Hafen, um ihre Frauen stundenweise gegen Spirituosen einzutauschen.
Nun ja, durch den Besuch meiner Freundin, der ja nun erst wenige Stunden zurücklag, waren diese Bedürfnisse fürs erste gestillt. Dennoch hielt ich es für eine gute Idee, etwas aus dem Duty-Free-Shop mitzubringen. Da ich in Helsinki meine ortsansässigen Freunde Anthony und Laura besuchen wollte, konnte es ruhig auch etwas mehr sein. Also wurde rechts und links am Lenker jeweils ein Karton Wein angehangen und im Flaschenhalter die Wasser- gegen eine Rumflasche getauscht.

Cape Town meets Helsinki

In der finnischen Hauptstadt angekommen, stand Anthony auch schon bereit, um mich und meine Mitbringsel in Empfang zu nehmen. Da die wenigsten unter meiner Leserschaft die beiden kennen werden, will ich sie hier kurz vorstellen.

Anthony war der erste farbige Rafting-Guide in Südafrika, der nach Ende der Apartheit (1994) eine Führungsposition übernehmen durfte. Sein Gebiet war der wunderschöne Orange River an der Grenze zu Namibia. Dorthin verschlug es eines Tages auch Laura, ein 17-jährigs Mädchen aus Helsinki, die grade ein Austauschjahr in Kapstadt verbrachte. Wie ihr euch denken könnt, verliebten sich die beiden auf der von Anthony geleiteten Tour ineinander und er machte ihr nach ein paar Tagen einen Heiratsantrag.

Allerdings musste Laura zurück nach Finnland, wo sie nämlich irgendwie schon verlobt war. So verloren sich die beiden für viele Jahre aus den Augen, da das Kontakthalten ohne E-Mail oder die Nutzung des Zuckerberg`schen Nachrichtendienstes halt nicht so einfach ist. Laura entschied sich dann dazu, ihren finnischen Mann zu heiraten und fortan ein klassisches Spießerleben zu führen.

17 Jahre später, 2014, erhielt sie dann eine Facebook-Nachricht von eben jenem Rafting-Guide, der damals um ihre Hand angehalten hatte. Kurzentschlossen stieg sie ins Flugzeug und traf sich mit “Ant” in Kapstadt. Ein paar Tage später kamen die beiden dann in ein Hostel, in dem ich grade ein Praktikum absolvierte und wir freundeten uns an. Mittlereile sind sie auch verheiratet und wollten eigentlich in das Land an der Südspitze Afrikas ziehen. Allerdings stellte sich die Südafrikanische Einwanderungsbehörde da aus irgendwelchen dubiosen Gründen ziemlich quer. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass ihr grandioses Sozialsystem von einer armen Finnin ausgebeutet wird. Deshalb beschlossen sie, ihre Zelte vorerst in Helsinki aufzuschlagen. Eigentlich halte ich ja überhaupt nichts von Liebesgeschichten, doch das ist schon irgendwie filmreif.

Messermänner und illegale Saunen

Als wir in der ersten Nacht nach meiner Ankunft eine örtliche Schänke besuchten, gab es dort einen Billard-Tisch. Dieser war an Samstagen kostenneutral bespielbar, was allerdings langes Anstehen bedeutete. Der Sieger durfte immer gegen den nächsten auf der Liste antreten und dessen Name wurde zu Beginn des Spiels abgewischt. So weit so gut.

Allerdings war Ant nicht mehr ganz nüchtern und verstand das System daher nicht wirklich. Daraufhin beschwerte er sich, dass es jetzt für ihn an der Zeit sei, zu spielen, obwohl eigentlich noch jemand anderes vor ihm dran war. Wer den gemütlichen Südafrikaner kennt, der weiß auch, dass man von ihm nichts zu befürchten hat. Auf die anwesenden Finnen wirkte er allerdings etwas bedrohlich. Das hatte zur Folge, dass einer der beiden Typen, an deren Adresse die Beschwerde gerichtet war, nicht nur ein Messer, sondern gleich ein ganzes Messeretui zückte (wie sich später herausstellte, war er Koch).

Anthony konnte das allerdings nicht aus der Ruhe bringen. In den 80ern/90ern in Südafrika aufzuwachsen, war schließlich kein Kindergeburtstag, und so zierte bereits eine von einem Schneidwerkzeug stammende Narbe seinen Wohlstandsbauch. Damals ist er deswegen nach eigener Aussage erst am Tag darauf, auf Drängen seiner damaligen Freundin, zum Arzt gegangen.

Bevor die Situation eskalierte, konnten wir aber schlichten und den Abend ganz normal und ohne Messerstechereien zu Ende bringen.

Am nächsten Tag entdeckten wir eine “illegale Sauna”, welche sich inmitten einer Baustelle direkt an der Ostsee befindet. Diese ist nicht so leicht zu finden, allerdings lohnt sich ein Besuch allemal. Ein paar Leute haben damals angefangen, diese auf einem Stück brach liegendem Land zu errichten. Das gefiel den finnischen Behörden ganz und gar nicht und sie wurde wieder abgerissen. Das wiederum verstanden die Saunafreunde als Provokation und errichteten sie wieder von neuem. Dieses Spiel ging wohl ein paar mal hin und her, bis es den Behörden zu blöd wurde und sie die Sauna zunächst einmal duldeten.

Derzeit wird grade die dritte Sauna gebaut. Es gibt auch schon einen Holzschuppen und eine Grillecke. Nach dem Schwitzen springt man einfach in die kalte Ostsee. Herrlich!

Uns gefiel es dort so gut, dass wir diesen Ort gleich am nächsten Tag nochmal besuchten. Bei dem regnerischen Wetter, mit dem mich Helsinki begrüßte, war das eine echte Wohltat. Auch an die generelle Kultur des „nackt-durch-die-Gegend-Laufens“ könnte ich mich gut gewöhnen.

Ansonsten lief ich in Helsinki einfach planlos durch die Stadt, schaute mir ein paar Sachen an und machte kleinere Besorgungen.

Ich unternahm auch einen Ausflug auf die Festungsinsel Suomenlinna. Kleiner Tipp: Es gibt dort Touristenboote, welche zu mehreren Punkten der Insel fahren. Diese sind für die kurze Überfahrt von 20 Minuten echt sehr teuer. Billiger kommt man mit der öffentlichen Fähre hin, welche gut frequentiert den Haupthafen der Insel ansteuert. Diese ist mit derselben Chipkarte nutzbar, die auch für Bus und Bahn benutzt werden muss. Übrigens gibt es damit auch die Möglichkeit, sich Fahrräder auszuleihen.

Bei meinen Erkundungen war ich allerdings auf mich alleine gestellt, da meine Gastgeber ihrem fortgeschrittenen Alter Tribut zollen mussten und nach den Kneipennächten meist sehr lange schliefen.

Zurück auf dem Sattel

Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück (so gegen 16 Uhr) hieß es für mich nach 9 Tagen Tallinn und 5 Tagen Helsinki, meine bis dato längste Pause zu beenden und endlich wieder Fahrrad zu fahren. Wenn man eins über die finnische Hauptstadt sagen kann, dann definitiv, dass sie eine Fahrradstadt ist. Man hat quasi überall super ausgebaute Radwege, welche auch mit anderen Städten in der Umgebung verbunden sind. Echt angenehm, um wieder in den Rhythmus zu kommen und im Gegensatz zum Verkehr im Baltikum ein riesen Unterschied.

Jetzt hieß es erstmal, ein paar Kilometer zu machen. Also fuhr ich meist sehr lange Fahrrad und hatte demzufolge am Abend wenig Lust, etwas zu erledigen wie bspw. das Weiterführen dieses Blogs.

Ganz im Süden von Finnland ist es nicht so einfach, einen schönen Platz zum Wildzelten zu finden. Es gibt zwar viele Seen, deren Ufer sind aber entweder stark bewachsen oder zugebaut. Ist ja auch verständlich, da die Finnen, welche in den Städten im Süden leben, natürlich auch ein Sommerhaus haben möchten. Wie man aber trotzdem zu guten Schlafplätzen kommt, verrate ich euch im zweiten Teil zu meiner Radreise in Finnland etwas ausführlicher.

Warm Showers in Kuopio

Von Couchsurfing habe ich ja bereits mehrmals berichtet. Wenn ihr mit dem Fahrrad unterwegs seid oder Fahrradfahren eine kostenfreie Unterkunft zur Verfügung stellen wollt, bietet sich dazu die Plattform „Warm Showers“ an. Diese ist nach dem für viele Radfahrer wichtigstem Gut, der warmen Dusche, benannt.
Dieses Netzwerk entdecke ich leider erst kurz vor meiner Reise. Deshalb konnte ich noch keine Radfahrer bei mir aufnehmen. Sollte ich mein Nomadenleben jedoch irgendwann beenden, habe ich das auf alle Fälle vor. Vielleicht sind das Fehlen entsprechender Referenzen oder die derzeit nicht funktionierende App der Grund dafür, dass ich bisher weniger Glück bei der Suche nach Gastgebern hatte, als über Couchsurfing.

Dies änderte sich aber in Kuopio. Dort nahm sich Antti meiner an und mich bei sich auf. Er selbst hatte grade Urlaub und zeigte mir seine Stadt.

Als wir bei ihm zu Hause grillten, kamen wir auf meine weitere Route zu sprechen. Eigentlich wollte ich von Kuopio aus an die Küste fahren. Zu meinem Glück war Antti leidenschaftlicher Brevet-Fahrer (Langstreckenfahrten mit dem Rennrad) und hatte Finnland sowohl schon einmal umrundet, als auch von Süd nach Nord durchfahren. Dies hatte zur Folge, dass er so etwas wie eine wandelnde Straßenkarte ist. Er zeigte mir die Ostroute an der russischen Grenze, welche seiner Aussage nach nur 50 Kilometer länger (ich habe es im Routenplaner nachgeschaut, stimmt genau), dafür aber deutlich schöner ist und weniger Verkehr aufweist. Also entschied ich mich, umzuplanen und weiter in Richtung Osten zu fahren. Wie es weiter ging, erzähle ich euch beim nächsten Mal.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Arian Galip

    Wirklich schön zu lesen das mache ich auch noch vielen Dank 😊

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