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Bei Andrei und seiner Familie...

Belarus – Zu Gast bei Freunden

Von Białystok aus ging es also an die weißrussische Grenze. Diese wollte ich im Nationalpark „Puszcza Białowieska“ überqueren, um dieses oft als „letzter Urwald Europas“ bezeichnete Naturschutzgebiet etwas genauer zu erkunden. Dabei wollte ich mich jedoch auf die weißrussische Seite konzentrieren. Diese gilt als ursprünglicher und ist vom Massentourismus noch weitestgehend verschont. Also ging es nach einer Nacht im polnischen Białowieża auf zur weißrussischen Grenze.

Die Vorbereitung

Auf meiner derzeitigen Reise ist Weißrussland das einzige Land, für das ich ein Visum zur Einreise benötigte. Eine visafreie Einreise ist lediglich Reisenden vorbehalten ist, die das Land über den Flughafen in Minsk betreten. Dieses zu beschaffen war schwieriger als anfangs gedacht, aber irgendwie wollte ich unbedingt hier hin. Ich kann nicht mal sagen, was mich an diesem Land im Vorfeld so gereizt hat, dass ich die zusätzlichen Kosten und Bemühungen für die Beschaffung der Einreisegenehmigung in Kauf genommen habe. Vielleicht war es grade der Umstand, dass ich relativ wenig über Weißrussland wusste und es für europäische Verhältnisse doch ein recht exotisches Reiseziel darstellte.

Für normale Touristen gibt es zwei verschiedene Arten von Visa. Das klassische Touristenvisum setzt voraus, dass man über den gesamten Reisezeitraum Hotels gebucht hat und dies auch nachweisen kann. Diese Hotels müssen dann auch richtig fest gebucht sein, da sie einem den Aufenthalt bestätigen müssen. Ein Ausdruck der Onlinebuchung reicht hier in der Regel nicht aus.

Die zweite Möglichkeit ist, sich von einer Privatperson einladen zu lassen. Durch einen dieser glücklichen Zufälle, welche sich wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen, hatte ich im Januar Besuch von zwei Couchsurfern, die von St. Petersburg nach Cottbus gezogen sind und die ersten Nächte in meiner Wohnung verbrachten. Diese hatten wiederum Freunde in Minsk, welche sofort bereit waren, mir eine solche Einladung auszusprechen. Nach dem Ausfüllen eines komplizierten Visumantrages, einer Bearbeitungsgebühr von 60 € und ein paar anderer Formalien, klebte also der weißrussische Einreisewisch in meinem Pass.

Durchfall am Schlagbaum

Nachdem ich also zusammengepackt und mein Gepäck nochmal auf möglicherweise illegale Dinge kontrolliert hatte, rollte ich die letzten 5 Kilometer von meinem Zeltplatz in Richtung Grenze. Dort angekommen, war es zugegebener Maßen etwas gespenstisch. Ich war anscheinend der Einzige, der diese überqueren wollte. Der polnische Grenzer war sehr nett und auch schwer angetan von meiner Tour. Also plauderten wir kurz und er wünschte mir noch viel Erfolg für meine weitere Reise.

Sein weißrussischer Kollege war da schon etwas verhaltener und nahm meinen Pass eine ganze Weile unter die Lupe, bevor er ihn abstempelte. „Naja,“ dachte ich, „ist ja alles halb so wild gewesen.“ und setzte mein schwer bepacktes Rad in Bewegung. Dann hörte ich einen lauten Schrei vom Genossen hinter dem Grenzschalter, welcher mich zum sofortigen Anhalten bewegte. Er gab mir zu verstehen, dass wir hier noch längst nicht fertig sind. Schließlich muss er noch mein Gepäck durchsuchen.

Etwas Bedenken hatte ich schon, dass mir meine aus Polen importierte Packung Kabanossi jetzt abgenommen wird. Viel mehr interessierte sich der Grenzer jedoch für mein Medikamententäschchen, welches alles beinhaltete, was man halt so braucht. Also musste ich ihm zu jedem Medikament erklären, für was es gedacht ist. Da er des Englischen nicht mächtig war und ich von der russischen Sprache in etwa so viel verstand wie ein Koalabär von der Zubereitung köstlicher Käsespätzle, verlief unsere Kommunikation mittels Pantomime. Während meine Medikamente für die Wespenallergie und die Kopfschmerztabletten recht schnell zu erklären waren, verlor ich aber die Lust an diesem Spielchen und erdachte mir eine Möglichkeit, es schnell zu beenden. Also stellte ich beim dritten Medikament kurzerhand eine Magen-Darm-Grippe pantomimisch dar, woraufhin er etwas verlegen wurde. Ich durfte zusammenpacken, der Plan funktionierte.

Die ersten Tage – ein kühler Beginn

In Weißrussland muss sich jeder Ausländer innerhalb von 5 Tagen im Land registrieren lassen. Entweder man tut dies auf der Polizeiwache, was allerdings sehr kompliziert sein soll, oder man bucht eine Nacht im Hotel und die machen das automatisch für einen. Da es sowieso gerade regnete, schaute ich doch gleich mal nach einer günstigen Bleibe. Diese zu finden war alles andere als einfach, da es im Nationalpark selbst recht teuer war und um diesem herum kaum Hotels gab, die noch geöffnet waren.

Schließlich wurde ich dann doch noch fündig und konnte auch mit dem Preis (13 € die Nacht) gut leben. Ich hoffe, dass die auch wirklich meine Registrierung erledigt haben, denn Englisch wurde selbst im Hotel nicht gesprochen. In dieser mittelgroßen Stadt gab es genau ein Restaurant, an dem gerade eine Hochzeit war. Auch sonst war da mal überhaupt nichts los. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht einmal mehr an den Namen erinnern. Also musste ich meinen Einstand in Belarus auf dem Hotelzimmer mit grenzwertig schmeckendem Dosenbier und `ner Tütensuppe verbringen, welche ich immer als Notreserve dabei habe.
Am nächsten Tag entschied ich mich dazu, den Nationalpark nicht weiter anzuschauen, weil nur noch mehr Regen angesagt war und ich schnell weiter nördlich wollte, wo das Wetter besser sein sollte.

Nach der ersten durchnässten Nacht im Zelt und ohne jegliche Konversationen, weil wirklich niemand Englisch sprechen konnte, hatte ich mal wieder Lust darauf, Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Außerdem merkte ich, dass ich mich durch das ständige Wildzelten immer weiter von dem distanzierte, was man im Allgemeinen als zivilisiertes Individuum ansieht. Ein Zeichen dafür ist es beispielsweise, wenn ich mein Brot nicht mehr in Scheiben schneide, sondern es direkt vom Laib reiße. Wie ein wildes Tier halt.

Gastfreundschaft die ihres Gleichen sucht

Also entschloss ich mich dazu, in der nächsten größeren Stadt nach einer Möglichkeit zum Couchsurfen zu suchen. Dies klappte trotz der Spontanität meiner Anfrage problemlos. Ich kam bei Andrei und seiner Familie in Baranovichi unter. Die Stadt selbst hatte nicht viel zu bieten außer den üblichen Statuen von Lenin und seinen Genossen, die man auf jedem Dorfplatz findet. Allerdings waren meine Gastgeber wahnsinnig nett! Ich wollte ursprünglich nur eine Nacht bleiben, blieb aber drei. Am Tag nach meiner Ankunft nahmen sie mich mit zu ihrem kleinen Haus auf dem Land und weil Andreis Schwiegermutter hörte, dass ein Gast aus Deutschland anwesend ist, begleitete sie uns auch noch.

Das Dorfleben war sehr idyllisch. Wir aßen traditionelle weißrussische Draniki, gingen in die Sauna (Banja), die dort jedes Haus hat und verbrachten einen netten Abend. Das war wirklich mal eine andere Erfahrung bzw. ein Leben, wie man es sich in Deutschland kaum noch vorstellen kann. Aber da mich Wasser aus dem Brunnen und Plumpsklo nicht stören, empfand ich es als ein tolles und authentisches Erlebnis. Andreis Onkel erzählte mir, dass er sein Nachbarhaus auch noch kaufen will, um dort Agrotourismus zu betreiben. Das kann ich mir hier durchaus als vielversprechend vorstellen. Der Kaufpreis für diese kleine Dacha samt Grundstück liegt übrigens bei 500 €, weil die Nachfrage in dieser Gegend doch recht gering zu sein scheint. Wenn mir meine Freundin mal wieder damit auf die Nerven geht, dass sie auch ein eigenes Haus möchte, dann landet sie also hier.

Diese Begegnung war ein Riesenglück und half mir sehr, mit Land und Leuten warm zu werden und die Lebensweise etwas besser zu verstehen.
Mit vielen tollen Eindrücken im Gepäck ging es also weiter Richtung Minsk, welches ich nach einer Zwischenübernachtung an der Memel auch bald erreichte.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Andrei

    Willy, gibt es verlassene häuser im deutschen Dorf ?!

    1. Willy

      Ja die gibt es schon, aber eher selten.

  2. Elisabeth

    Mensch Willy….das ist ja großartig, was du für Abenteuer erlebst….getreu dem Motto:“travel while you are young and abel“…und eine sehr charmante Reiseerzählung dazu 😉 Wir wagen auch etwas ungewöhnliches: Usbekistan….ich bin schon sehr getriggert, Pfingstsonntag geht es los….natürlich ohne pauschal und den Käse. ..Pass auf dich auf, viel spannende Erlebnisse und herzliche Grüße von Elli Merkel. …ach und p.s.: da hab ich noch einen Spruch: Die schlimmste Weltanschauung haben Leute, die die Welt nie angeschaut haben . Alexander von Humboldt

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