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Ecuador – unverhofft ins Paradies

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Der Grenzübertritt nach Ecuador verlief, wie die meisten bisher, sehr unproblematisch. Hier zeigte sich nochmal, was für große Fahrradfreunde die Kolumbianer sind. Der Grenzbeamte machte erstmal Fotos von unseren Rädern und füllte uns unsere Wasserflaschen auf. Auf der ecuadorianischen Seite wurden unsere Pässe in Windeseile gestempelt, “Ihr habt 3 Monate. Viel Spaß!”.

 

Dem Organhändler entkommen

In Nueva Loja hatten wir uns dann ein Airbnb gemietet. Erstaunlich günstig kam das “Tiny House” daher. “Tiny House” heißt hier übrigens nicht, dass alles super funktional auf kleinem Raum vorhanden ist, sondern, dass es eben wirklich “tiny” ist. Von den Bildern her ein Baucontainer mit Bett. Reicht ja aus. Die strategische Lage am Highway war uns hier wichtig. Als der Vermieter uns anschrieb, war schon erstmal merkwürdig, dass er wollte, dass wir stornieren und stattdessen bar bezahlen. Gut, verstehe schon, er wollte sich die Gebühren sparen. Ging aber natürlich nicht mehr.

Als er dann einen Standort schickte, der viel weiter von der Hauptstraße entfernt war, als der auf seinem Profil, erschien uns das komisch. Dort war er auch nicht zur vereinbarten Zeit. Als wir einen Ladenbesitzer auf der Straße fragten, ob er wisse, wo hier ein Airbnb sei, war sich dieser sicher, dass wir an einem komplett falschen Ort waren. Er meinte auch, wir sollten lieber zurück zur Hauptstraße, bevor wir ausgeraubt werden.

Zurück im WLAN drängte der Vermieter dann darauf, dass wir zurückkommen. Wir waren aber mehr daran interessiert, unsere Organe alle zu behalten und buchten stattdessen ein Hotel im Zentrum. An dieser Stelle muss man mal den Airbnb-Support loben. Die Kommunikation verlief schnell und problemlos. Der Vermieter wurde gelöscht und wir bekamen unser Geld zurück.

Kurz darauf passierten wir diesen Wasserfall, der ziemlich genau auf dem Äquator liegt.

Der weltgrößte Erdrutsch

Ecuador hat viele Rekorde zu bieten. Hier gibt es zum Beispiel die meisten Vulkane pro km², den am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernten Punkt der Erde (Chimborazo) und es wurden auch die meisten Bäume innerhalb eines Tages gepflanzt. Seit letztem Jahr gibt es auch einen neuen, nicht ganz so schönen Rekord. Es gab den weltgrößten Erdrutsch.

Anders als 99% der Deutschen Autofahrer benötigen die „Ecuatorianos“ tatsächlich manchmal einen SUV oder besser Pickup.

Das hat zumindest ein Forscher behauptet, den wir getroffen haben, als er gerade Teile davon vermessen hat. Nach welchen Kriterien hier gegangen wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber 9 Kilometer Straße, die einfach mal so abrutschen, sind schon eine Hausnummer.

 

Laut Google Maps war die Straße hier noch komplett gesperrt. Aus “I Overlander” haben wir aber herausgefunden, dass es eine Gondel gibt, die zumindest Fußgänger, Fahrräder und Motorradfahrer transportieren kann. Während ich mich darauf freute, graute es Rose schon vor der Fahrt.
 
Als wir ankamen, war da keine Seilbahn mehr. Stattdessen standen Autos und LKW Schlange. Über provisorische Schotterpisten, die ungeachtet jedes Gefälles durch die Erdmassen führten, rollte der Verkehr. Na gut, an einer Stelle gerade nicht mehr. Etwas flussabwärts der eingefallenen Brücke, wurde im Flussbett gebaggert. Nach einer Weile positionierte man die Baustellenfahrzeuge in der Strömung, um diese etwas zu blocken. Dann wurden wieder 20 Autos durchgewunken. Ordentlich Bodenfreiheit uns eine etwas erhöhte Luftansaugung waren dabei empfehlenswert. Der ein oder andere Ecuadorianer probierte es aber auch in seiner kleinen Limousine – mit gemischten Ergebnissen. Ab und an blieb mal ein Auto stecken und musste dann herausgezogen (bzw. herausgeschoben) werden. Aber nach einem kleinen Schubser von der Baggerschaufel ging es meist wieder. Ob diese Baustelle vom TÜV Rheinland so abgenommen werden würde …?

Wir schwangen uns im langsam rollenden Verkehr samt Rädern auf jeweils einen großen Pickup, dem wir das ganze zutrauten und kamen problemlos auf der anderen Seite an.

Die Videos kann ich derzeit aus technischen Gründen leider nicht einfügen. Aber ich empfehle euch sie unbedingt hier anzuschauen. (Video Nr. 2).
 

Bomberos – zelten auf der Feuerwache

Am nächsten Tag hielt ein Pickup neben mir und ich beantwortete schnell ein paar Fragen zu unserer Reise, während ich auf Rose wartete. Die beiden freundlichen Männer waren “Bomberos”, also Feuerwehrleute, aus “El Chaco”, die Stadt, die wir am Nachmittag erreichen wollten. Sie luden uns ein, auf der Feuerwache zu übernachten. Wie sich herausstellen sollte, klappt das fast überall in Ecuador. “Bomberos” nehmen gerne Reisende für eine Nacht auf. Wir wurden jedenfalls nie abgewiesen. In meiner Heimatstadt Bad Muskau habe ich mal gefragt, ob ich die Toilette in der Feuerwehr benutzen darf, als gerade ein paar ältere Kameraden dort ein Bier tranken. Das ging nicht. Aus versicherungstechnischen Gründen musste ich im nahegelegenen Park defäkieren.

Alles, selbst der Hund, war hier auf der Feuerwache ordnungsgemäß beschriftet.

Aus dem Amazonas heraus mussten wir von 200 bis auf über 4000 Meter hinauf radeln, um Quito zu erreichen. Das ging natürlich nicht an einem Tag, aber langsam und stetig. Die Steigung war dabei angenehm gering. Als wir auf etwa 3500 Metern auf dem Parkplatz von einigen wunderschönen heißen Quellen zelteten, erreichte uns eine Nachricht von Frauke und Nils, die ja schon im letzten Blog eine Rolle spielten. Sie bleiben noch eine Nacht in Quito und wollten sich nachmittags mit uns in einer Brauerei treffen. Na, das klang doch gut. Allerdings regnete es am nächsten Morgen und in den dichten Wolken war uns das Fahren auf der Schnellstraße zu gefährlich. Normalerweise hätten wir hier einfach noch eine Nacht zelten können, aber auf Grund der Verabredung entschieden wir uns, einen Bus zu nehmen, was eigentlich sehr schade war, da der Großteil der Strecke bergab führte. Das geht in Ecuador zum Glück sehr einfach. Die Strecken sind nicht zu lang und im Gegensatz zu anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern werden kaum Kartoffelsäcke oder Hühner, sondern hauptsächlich nur Menschen transportiert. So hatten unsere Räder ordentlich Platz in der Busluke und wir konnten uns am Abend mit Frauke und Nils treffen, wo wir die Story mit den Pfandflaschen nochmal aufarbeiteten.

Mit Frauke und Nils in Quito.

Lange nicht gesehen und doch wieder erkannt

In Quito kamen wir bei Sophie und Andres unter. Sophie kenne ich schon länger, als ich ihren Namen aussprechen kann. Ihre Mutter (liebe Grüße!) hatte nämlich damals meine Eltern einander vorgestellt und hat somit große Verdienste an meiner Existenz geleistet. Bei einem meiner Reisevorträge berichtete sie mir, dass Sophie jetzt in Ecuador wohnt und ich sie unbedingt besuchen müsse. Wir haben uns zwar nicht mehr gesehen, seitdem ich 2012 die Schule verlassen habe, aber sie erklärte sich sofort bereit, uns bei sich aufzunehmen, obwohl sie bei ihrer Mutter anfänglich noch Zweifel wegen unseres wohlmöglich strengen Körpergeruchs angemeldet hatte. 

Mit Sophie und Andres, welcher von hier kommt, hatten wir eine super Zeit und waren bei vielen Themen auf einer Wellenlänge. Die beiden haben wahrscheinlich eine der schönsten Wohnungen, in der wir auf der Reise oder vielleicht sogar überhaupt je übernachtet haben. Im Kingsize-Bett im Gästezimmer musste Rose seit langem mal wieder nicht mit dem Kopf gegen die Wand gepresst schlafen, weil ich des Nachts unbewusst um mein Territorium kämpfte.

Mit Sophie und Andres in Quito unterwegs. Endlich mal normal große Biere.
Potsdam und Quito mussten sich erstmal an unsere Anwesenheit gewöhnen.

Sophie wusste aufgrund ihrer Anstellung bei der Deutschen Botschaft hier in Quito auch genau Bescheid, wo man in der ecuadorianischen Hauptstadt besser nicht hingehen sollte. Ecuador ist leider in den letzten Jahren etwas unsicherer geworden. Die strategisch gute Lage zwischen den beiden größten Kokainanbauländern Kolumbien und Peru hat es für die Kartelle hier sehr interessant gemacht.

Vor der gefährlichsten Gang überhaupt, der katholischen Kirche, waren wir, dank unserer Eheringe

Kurz nachdem wir Quito verlassen hatten, wurde dann auch ein oppositioneller Präsidentschaftskandidat erschossen, der dafür bekannt war, diese Probleme angehen zu wollen. Außerdem ist es seit der Pandemie wirtschaftlich sehr schwierig, was viele Menschen in die Kriminalität treibt. Auch eine Gruppe Fahrradfahrer wurde etwas nördlich von hier unter vorgehaltenen Waffen ausgeraubt. Wir waren jedenfalls extra vorsichtig bei der Wahl unserer Zeltplätze.

 

Galapagos – eine unwirkliche Inselwelt

Das wichtigste, dass Sophie und Andres für uns getan haben, war allerdings uns davon zu überzeugen, auf die Galapagos-Inseln zu fliegen. Wir dachten immer, dies sei absolut nur Menschen mit einem sehr dicken Geldbeutel vorbehalten. Nun gut, billig ist es nicht. Erstmal muss man dahin fliegen, da sich die Inseln etwa 1000 Kilometer vor der ecuadorianischen Küste befinden. Dann kostet der Eintritt 100 USD pro Person und hier und da erhebt noch jede Insel eine extra Phantasiegebühr. Allerding ist das Leben, davon abgesehen, hier nicht wesentlich teurer als auf dem Festland. Man findet immer ein günstiges Hostel für 25 oder 30 Dollar und für einen Fünfer kann man auch ein Essen bekommen.

Frischen Thunfisch war hier das günstigste Lebensmittel.

Wir kalkulierten das kurz durch und entschieden uns, dass wir einen kleinen Urlaub von unserer Reise verdient hatten. Also ging es eine Woche auf die Galapagos-Inseln. Angekommen in Santa Cruz, waren wir erstmal etwas geschockt. Haben wir das ganze Geld jetzt für eine total überlaufene Touri-Insel ausgegeben? Hier reihten sich edle Restaurants und Souvenirshops aneinander. Jeder Zweite trug mein Standard-Outfit: Zip-Off-Pants, Sandalen und Socken. Aber wir wollten doch einmalige Naturerlebnisse! Wir wollte Tiere sehen und meinten damit nicht nur Robben, die am Fischstand auf Reste warten.

Rose zählte 423 dieser entspannten Zeitgenossen.
Und verwandelte Wasser in…
…Caipirinhas.


Nach dem ersten Schock entschieden wir dann, die Insel so schnell wie möglich zu verlassen und in Richtung Isla Isabela aufzubrechen. Diese Insel galt als ruhiger und es gab einige Highlights, die man, auch ohne eine teure Tour zu buchen, besichtigen konnte. Auf eigene Faust fuhren wir mit gemieteten Fahrrädern einen Weg entlang, wo wir einige Riesenschildkröten, Flamingos und – wie überall – eine Menge Iguanas sahen. Im Wasser schnorchelten wir mit Robben, Meeresschildkröten, Pinguinen, Haien und vielen anderen Tieren. Wir gingen teilweise mehrmals täglich schnorcheln, weil es einfach so geil war. Da es keine wirklichen Fressfeinde gibt, sind die meisten größeren Tiere hier überhaupt nicht scheu. Robben zum Beispiel schwimmen schnell auf einen zu und drehen dann im letzten Moment ab. Sie feiern es hart, Touristen zu erschrecken.

Hier auf meinem Instagram Kanal ein paar Videos dazu.

Das Wort „Turtle“ kommt von „Turd“.

Einer der besten Tage in unserem Leben

Eine geführte Tour buchten wir dann doch. „Los Tuneles“ ist quasi Pflicht während eines Besuches auf den Galapagos-Inseln. Hier sind durch einen Vulkanausbruch, bei dem Lava ins Meer geflossen ist, Tunnel entstanden. Diese fungieren quasi als Riff und sind besonders tierreich. Mit uns auf dem Boot war noch ein junges Pärchen aus Köln und den schlimmsten Schlag Mensch, den man sich bei so einer Tour vorstellen kann – alte Sachsen. Schlimmer noch. „Dräschdner“.

Zum Glück haben die 300 PS des Motors den grauenhaften Akzent ganz gut übertönt. Beim anschließenden Landgang, wo etwas über die Entstehung des Riffs erzählt wurde, hatten wir unsere helle Freude, da eine rüstige Rentnerin von unserem Tourguide immer als „Old Lady“ bezeichnet wurde. „Old lady, old lady, look here…“, „old lady, old lady, watch your step“. Als ich dann begann, Rose so zu nennen, hatte zumindest noch einer von uns Spaß. Fairerweise muss man sagen, dass sie mich erst auf den Witz aufmerksam machen musste.

Im Wasser kapselten wir uns dann von unseren Guide, entgegen dessen Vorgabe, ab. Der hatte das aber gar nicht wirklich gemerkt. Schließlich hing ihm „Old Lady“ während der gesamten Tour am Arm. Ob die Sachsen viel sahen, weiß ich nicht. Durch mehr als ungeschickte Körperbewegungen wirbelten sie dermaßen viel Dreck auf, dass dies ihnen schwergefallen sein dürfte. Wir hingegen hatten einen der besten Tage in unserem Leben. Wir schwammen mit unzähligen Meeresschildkröten. Teilweise waren es 5 oder 6 gleichzeitig. Wir tauchten durch einen Tunnel und entdeckten mehrere richtig große Haie. Unter uns schwammen Rochen hindurch. Seepferdchen, bunte Fischschwärme, alles was man sich im Wasser so vorstellen kann, war am Start. Am Ufer brüteten Blaufußteupel (auf englisch übrigens Boobies genannt).

Total geflasht ging es zurück in den Hafen. Als wir dann im Shuttlebus alle so erzählten, wie lange wir reisen und damit nicht arbeiten, bekamen Teile der sächsischen Rentnergruppe beinahe einen Herzkasper. Sie begannen zu realisieren, dass das mit ihrer Rente vielleicht nicht mehr lange gut gehe. Als dann der berüchtigte Satz „Ich(!) habe in meinem Leben schon genug gearbeitet.“, über meine Lippen ging, war das Gespräch beendet.

Auf der Suche nach dem goldenen Sauerkrautkrug

Auch der Rest des kleinen aber vielfältigen Landes wusste zu gefallen. Nachdem wir Quito verlassen haben, ging es vorbei am beeindruckenden Cotopaxi, der sich dann für uns doch nochmal aus seiner Wolkendecke pellte.



Die Straße hinauf zum Quilotoa Krater, der sich auf über 4000 Metern Höhe befindet, war definitiv eine der schönsten Strecken, die wir jemals gefahren sind. Dadurch, dass es immer mal wieder 1000 Meter runter und dann wieder 1500 bergauf ging, war die Landschaft so abwechslungsreich, wie selten. Auf 4000 Metern angekommen, hatten wir dann ordentlich Schwierigkeiten beim Atmen. Vor allem nachts fühlte es sich so an, als würde dir jemand auf dem Brustkorb stehen.

Sonnenaufgänge schaue ich meist alleine an. Besonders hier oben, wenn noch Eis auf dem Zelt ist, kann Rose schwer motiviert werden.

Auch die kleine Touristadt „Banos“ war eine Reise wert. Wenn wir bis auf eine Radtour zu den berühmten Wasserfällen auch keine weiteren Touri-Aktivitäten unternahmen, war es doch ein sehr cooler Ort zum Entspannen. Am Markt gibt es auch das beste gegrillte Meerschwein, dass ich bisher gegessen habe. Ich will gar nicht wissen, was für Getier uns bis dahin so aufgetischt wurde. Es kann jedenfalls nicht Meerschwein gewesen sein.

 

Baños lag dann wieder deutlich tiefer und die Temperaturen waren sehr angenehm zum Campen.

Cuenca ist ebenfalls einen Besuch wert. Besonders die große „Deutsche Apotheke“ im Stadtzentrum, die etwa 15 Sorten bayrisches Bier und sogar Rotkäppchen-Sekt verkauft. Hier wird Gesundheit noch groß geschrieben.


Ganz oben auf meiner Liste stand allerdings Vilcabamba. Ich hatte nämlich in der Insta-Story von befreundeten Radreisenden gesehen, dass es dort ein Deutsches Hostel gibt, wo selbst Sauerkraut fermentiert wird. Normalerweise ist mir das lokale Essen auf Reisen immer besonders wichtig, aber nach über einem Jahr und mitunter recht eintöniger Kost, musste das mal sein. Auch ein türkisches Cafe mit hausgemachten Köfte konnten wir hier finden. Das sehr international geprägte Dörfchen war keinesfalls authentisch ecuadorianisch, aber auf jeden Fall sehr schön und stellte einen würdigen Abschluss aus dem Andenstaat dar. Ecuador war eines der Länder, die uns auf der Reise mit Abstand am besten gefallen haben. Und nochmals ein großes „Dankeschön“ an Sophie und Andres, die uns so sehr mit allem geholfen haben.

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